Zum Inhalt springenZur Suche springen

EMB: Morphologische Einbettung und phonetische Reduktion

Projektleitung

Doktorandin

Annika Schebesta M.A.

Zusammenfassung

Als morphologisch komplexe Wörter werden Wörter bezeichnet, die aus zwei oder mehr Gliedern bestehen, wie etwa die englischen Wörter deepen (aus der Basis deep und dem Suffix -en), oder careless (aus care und -less). Obwohl solche Wörter strukturell ähnlich sind, kann die Grenzstärke zwischen Basis und Suffix variieren. So ist die Grenze in Wörtern, die mit dem Suffix -less gebildet wurden, stärker als jene in Wörtern mit dem Suffix -en, mit der Folge, dass Hörer dazu neigen, careless in seine zwei Glieder zu zerlegen und diese separat zu verarbeiten, während sie deepen eher unzerlegt als ganze Form verarbeiten. Auch die Aussprache von komplexen Wörtern wird durch unterschiedliche Grenzstärken beeinflusst. Die zwei Glieder an einer schwächeren Grenze weisen eine höhere phonologische Integration auf und werden daher häufiger gekürzt oder getilgt, als dies in Wörtern mit einer stärkeren Grenze der Fall ist.

Dieser Effekt von unterschiedlichen Grenzstärken findet sich nicht nur in zweigliedrigen Wörtern, sondern auch in Wörtern mit drei oder mehr Gliedern. Insbesondere die Reihenfolge von Suffixen wird durch Unterschiede in der Grenzstärke bestimmt: Im Allgemeinen ist die Grenze zwischen der Basis und dem ersten Suffix schwächer als die Grenze zwischen der sich daraus ergebenden komplexen Form und dem zweiten Suffix. Im Wort owlishness ist demzufolge die Grenze zwischen owl und -ness schwächer als die Grenze zwischen der eingebetteten komplexen Form owlish und dem äußeren Suffix -ness. Der umgekehrte Fall, komplexe Wörter also, in denen die Grenze innerhalb der eingebetteten Form stärker ist als die äußere Grenze, ist im Englischen sehr selten.

Während diese Grenzstärke-Unterschiede in dreigliedrigen komplexen Wörtern empirisch gut belegt sind, ist bislang unklar, ob sie sich auch im akustischen Sprachsignal widerspiegeln. Aus der Tatsache, dass zweigliedrige Wörter mit einer schwachen Grenze mehr phonetische Reduktion aufweisen als solche mit einer starken Grenze, ergibt sich die Hypothese, dass die eingebetteten Glieder in dreigliedrigen Wörtern mehr zu phonetischer Reduktion neigen, also relativ kürzer sind oder eher zu Tilgung neigen, als das äußere Glied.

Diese Hypothese wird im vorliegenden Projekt überprüft. Zunächst sollen die Ergebnisse einer Pilotstudie repliziert werden, in der festgestellt wurde, dass in dreigliedrigen Komposita wie pizza home delivery das eingebettete Glied (home delivery) im Mittel kürzer war als das äußere Glied (pizza). Weiterhin werden die Vorhersagen, die sich aus der Hypothese ableiten, anhand von Produktionsexperimenten und aus gesprochenen Korpora gewonnenen Daten systematisch überprüft. Zusätzlich soll im Rahmen eines Wahrnehmungsexperiments festgestellt werden, ob Hörer die grenzstärkenbedingten Reduktionsunterschiede wahrnehmen und sie verwenden, um die Verarbeitung der inneren Struktur von morphologisch komplexen Wörtern zu erleichtern.

Verantwortlichkeit: